Nominativer Determinismus: Sag mir, wie du heißt und ich sag dir, wo du wohnst

Bin neulich mal wieder über den nominativen Determinismus gestolpert, weil mich ein Kumpel auf etwas Seltsames hingewiesen hat.
„Du heißt Jochen – und du bist Journalist“, sagte er.
„Stimmt“, sagte ich. „Und?“
„Ja, fällt dir denn gar nichts auf? Du hast einen Beruf gewählt, der mit denselben Buchstaben anfängt wie dein Vorname. Das war kein rationaler Entschluss. Du hast dir unbewusst etwas ausgesucht, das so ähnlich heißt wie du.“
„Naja“, antwortete ich.

Der Abend nahm seinen Lauf. „Außerdem“, lacht der Mensch auf einmal, „hast du jetzt noch ne Ausbildung zum Coach gemacht. O – C – H. Genau wie in Jochen. Fall gelöst, würde ich sagen.“

Als der Abend länger und die Debatten hitziger wurden, fiel meinem Gesprächspartner überdies auf, dass ich als junger Mensch vier Semester in einer Stadt studiert habe, in deren Name der Name meiner Mutter versteckt ist. „Und zwar Buchstabe für Buchstabe!“

Wir gingen auseinander. Mein Kumpel: triumphierend. Ich: kopfschüttelnd. Denn bei aller Liebe für Sigmund Freud und die Kraft des Unbewussten – man kann es auch übertreiben mit den Zufällen, die angeblich gar keine sind.

Jetzt jedoch muss ich im „Journal of Personality and Social Psychology“ eine ziemlich ausführliche Studie lesen, in der ein paar sehr kluge Menschen dieser These vom „nominativen Determinismus“ auf den Grund gegangen sind, also der Frage, ob unser Name mit darüber entscheidet, welchen Beruf wir wählen. Solche Studien habe ich tatsächlich schon häufiger gelesen. Manche sagen: Ja, so was gibt’s. Andere sagen: Es ist nur Zufall.

Die aktuelle JPSP-Studie hat die Sache mir riesigen Datenmengen und Künstlicher Intelligenz untersucht. Die Autoren kommen zum Ergebnis: Jawohl, es gibt so etwas wie einen nominativen Determinismus. „Dennis“ wird überzufällig häufig „dentist“, „Adam“ endet als „accountant“ usw.
Die Effektstärken sind nicht besonders groß, aber hochsignifikant. Das bedeutet: Natürlich wird nicht jeder Jochen automatisch Journalist, Jongleur oder Jobcoach (!). Doch wenn man sich sehr viele Jochens ansieht, dann merkt man, dass genau diese Berufe etwas häufiger sind als beim Rest der Bevölkerung und dass man diesen Effekt für alle anderen Namen ebenfalls finden kann. Nominativer Determinismus scheint also wirklich zu existieren.

Dasselbe gilt laut der Studie übrigens nicht nur für unseren Beruf, sondern auch für den Ort, an dem wir uns niederlassen.

Was kann man damit anfangen? Nichts (mal wieder). Aber … naja … wer weiß … vielleicht lande ich ja früher oder später in Johannesburg, St. Jose oder Joplin (Missouri).

3 Kommentare
  1. Ines
    Ines sagte:

    Lustiger Bezug. Ich heiße Ines, bin Imageberaterin und meine Firma heißt image&impression. Und mein Nachname fängt mit M an und mein zweites Standbein ist Mediation. Passt :).

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  2. Melanie
    Melanie sagte:

    Und ich als Melanie werde Melkerin oder Mechanikerin. Wobei mir auffällt, dass Ihr Nachname Metzger lautet. Das hätte eine Option für uns beide sein können…

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Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Über nominativen Determinismus. Das kommt bei mir nicht so recht hin, aber ich bin ja auch schon beim dritten Nachnamen und arbeite immer noch in derselben Firma wie immer, die ihren Namen in den letzten dreißig Jahren allerdings auch dreimal geändert hat. Wie soll man da dauerhaft nominativ determiniert sein. […]

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